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Pflege bei Diabetes mellitus ... bei Krankenpflegewissen.de |
Physiologische &
Medizinische Grundlagen |
1.A.7 Folgeerkrankungen
(Langzeit-/ bzw. Spätschäden)
Folgeerkrankungen
stellen keine unabänderbare Konsequenz der diabetischen Erkrankung dar,
sie können durch rechtzeitige Maßnahmen und Veränderung der
Einstellung zu der Erkrankung in frühen Stadien bestenfalls zurückgebildet
oder zum Stillstand gebracht werden! Sind sie einmal vorhanden, kann ihr Fortschreiten
positiv beeinflusst werden und der Pat. kann lernen, mit den Folgeerkrankungen
gut zu leben!
1.A.7.1 Schädigung des Kardiovaskulären
System (Herz-Kreislauf-Systems)
Statistische Daten:
- das Risiko, Komplikationen am Kardiovaskulären
System zu erleiden, ist bereits bei Nüchtern-Blutzuckerwerten (Plasma)
erwiesen, die dauerhaft 126 mg% (7 mmol / l) und mehr betragen (DCCT-Studie)
- pro Jahr erleiden ca. 70.000 Diabetiker
einen Herzinfarkt, die Hälfte hiervon stirbt an den Folgen
- Diabetiker sind 2 -3 mal häufiger
von Kardiovaskulären Erkrankungen betroffen als gesunde Menschen
- ca. 90 % der Diabetiker sterben früher
oder später an den Konsequenzen der direkten Gefäßschäden
bzw. an Organversagen
- Die Kombination mit Hypertonus erhöht
das Risiko für lebensgefährliche Komplikationen enorm
Pathophysiologie:
- permanent erhöhte BZ-Spiegel
führen zu einer chronischen Entzündungsreaktion der Gefäßwände,
die bei langfristiger Einwirkung zu einer Gefäßwandschädigung
(durch Vernarbung, Verlust der Gefäßwandflexibilität etc.)
führt und eine Verkalkung des Gefäßlumens nach sich zieht
Therapie:
- gute Blutdruckeinstellung erreichen,
sollte max. bei RR 140 / 85 liegen, besser sogar etwas unterhalb des für
gesunde Menschen gelten Blutdruckwertes RR von 120 / 80
- Überwachung der Blutfettwerte
und Einstellung auf:
- Triglyzeride < 150 mg /dl
- Cholesterin < 200 mg / dl
- Das Ausmaß der Gefäßschäden
bestimmt maßgeblich die Prognose / Lebenserwartung des Pat.
Einteilung:
- Makroangiopathie
(Schädigung der großen Gefäße, aufgrund des verfrühten
Auftretens auch diabetische Früharteriosklerose genannt):
- Hypertonie
- Koronarer Herzkrankheit (KHK)
- Infarkten
- zerebrale Durchblutungsstörungen
über TIA, PRIND bis hin zum Schlaganfällen
- schlechter Wundheilung
- Durchblutungsstörungen
der Extremitäten (pAVK, da vor allem die Füsse betroffen sind)
- Symptome:
- Schmerzen bei Belastung
- später in Ruhe
- zunehmende Blauverfärbung
(Zeichen der Sauerstoffunterversorgung)
- die später in Nekrosen
übergeht ( keine Schmerzen mehr)
- Therapie:
- BZ-Einstellung
- Wiedereröffnung mittels
Katheter (Ballon-Dilatation)
- Bypass-Operation des Vorfußes
bei drohenden / eingetretenem Totalverschluss
- Amputation des gesamten
Beines :-(
- diabetesspezifische Mikroangiopathie
(Schädigung der Kapillargefäße) führt zu Schäden
an /am :
- den Nieren:
- gehäufte Nierenbeckenentzündungen
- Sklerosierung der Nierenarterien
sowie der Glumeruli mit nachfolgender Niereninsuffizienz (diabetische
Nephropathie, sogenannte Kümmelstiel-Wiesen-Niere)
- durch die langfristige Einwirkung
des erhöhten Glucosespiegels werden die Eiweiße der Basalmembran
verzuckert (Glucosurie), die Membran quillt auf und die die Membran
durchziehenden Maschen werden aufgezogen. Der Filtereffekt greift
nun nur noch bei sehr großen Blutbestandteilen, kleinere können
damit nicht mehr zurückgehalten werden (so findet man z.B. Albumine
pathologischerweise im Urin)
- gleichzeitig führt das
wuchernde Aufquellen der Basalmembran zu einer Lumenreduktion in
den Glumeruli bis diese ganz verschlossen sind, die Filtertätigkeit
der Niere geht damit "Glumeruli für Glumeruli" verloren
- "nur" jeder 2. Diabetiker
ist davon betroffen, was vermutlich auf Erbfaktoren zurückzuführen
ist
- Auge:
- diabetische Retinopathie
(Gefäßschäden in der Netzhaut führen zu Sehstörungen
bis zur Erblindung) durch ...
- Gefäßproliferationen
(Proliferante Retinopathie, verschlechtert durch Einwachsen
von neuen Blutgefäßen in den Augenhintergrund das
Sehvermögen)
- Einblutungen (bis in den
Glaskörper hinein) trüben den Glaskörper
- Ablösung der Netzhaut
- deutlich erhöhtes
Risiko besteht bei langfristig erhöhten Nüchtern-Blutzuckerwerten
(Plasma) von 110 mg/% (6,1 mmol/dl) und mehr
- Katarakte und Glaukome
treten eher und auch häufiger auf
- Hauptrisikofaktor ist
der Hypertonus, der schnell unter 145 / 80 eingestellt werden
sollte
- ca. 2.000 Menschen verlieren
pro Jahr in Deutschland infolge einer diabetischen Augenerkrankung
das Sehvermögen, wobei die Erblindung heutzutage nicht
mehr unausweichlich ist, sondern durch rechtzeitige, fachgerechte
Erkennung der Schädigung und Behandlung fast immer verhindert
werden kann
- Therapie: regelmäßige Laser-Behandlung
senkt die Gefäßproliferation, wodurch die Gefahr
der Einblutung und Netzhautablösung gebannt wird (v.a.
auch bei Schwangeren wichtig)
1.A.7.2 Schädigung des Nervensystem
Pathophysiologie:
- Langfristig überhöhte Blutzuckerwerte
schädigen den Energiehaushalt der Zelle
- Nervenzellwand wird durch Glucoseanlagerungen
in der Funktion stark eingeschränkt (Stoffaustausch bzw. Erregungsweiterleitung
wird erschwert)
- durch die Mikroangiopathie werden
die Kapillaren, die die Nervenzellen versorgen, geschädigt, die Versorgung
wird immer schlechter, bis sie zum Absterben der Nervenzelle führt
Einteilung:
- (diabetische) Periphere Polyneuropathie
(Schädigung des willkürlichen Nervensystems):
- mit meist symmetrischen,
sensiblen Mißempfindungen und Taubheitsgefühl,
- betroffen sind vor allem
Arme und Beine, beginnend in den vom Körperstamm am weitesten
entfernten (distalen) Körperteilen (Finger und Zehen)
- dabei findet man folgenden
typischen Verlauf:
- beginnende, schleichende
Beeinträchtigung der Nervenfunktion
- erste Symptome für
den Pat. sind brennende, reißende und stechende Schmerzen
aus der Tiefe der Extremität sowie Kribbeln (Mißempfindungen
wie Ameisenlaufen etc.), Abschwächung der Reflexe,
dann
- Taubheitsgefühl
und Gangunsicherheit
- Schmerzen
- später kein Schmerzempfinden
mehr (die Schmerzweiterleitung ist defekt, größte
Gefahr ist hierbei das unbemerkte Auftreten von Verletzungen
und Druckstellen, die bis zu ulzerativen Veränderungen
führen können)
- selten kommt es aber sogar
zum Ausfall einzelner Nerven mit Beeinträchtigung ganzer
Muskeln und Muskelgruppen (Muskeln des Schultergürtels,
Bauch- und Rückenmuskulatur, Brust- und Beinmuskeln). Diese
können sich durch Schmerzen, aber auch Muskelschwäche
und sogar Lähmungen äußern
- aber auch die Schädigung
von Hirnnerven ist möglich:
- v.a. Lähmung
der Augen- und Gesichtsnerven
- tritt sehr spontan
auf, die Prognose jedoch ist günstig, da auch ohne
spezielle Behandlung meist eine nahezu vollkommene,
rasche Heilung erfolgt
- Autonome Neuropathie (Schädigung
des Autonomen Nervensystems):
- Schädigung
des Herz- und Gefäßsystems:
- permanent erhöhte
Herztätigkeit in Ruhe
- orthostatische
Symptome beim Aufstehen etc.
- Ödembildungsneigung
durch defekte Vasomotorensteuerung
- Gefahr des stummen
Herzinfarkt (Schmerzwahrnehmung ist nur bedingt möglich)
- Entleerungsstörungen
des Magens und sowie Transportstörungen des Darms mit
Übelkeit, Erbrechen, Völlegfühl, Obstipation
bis hin zum Ileus, aber v.a. nachts mit Durchfällen.
- trotz generell
diabetischer Stoffwechsellage kann es zu Unterzuckerung
nach den Mahlzeiten kommen
- Störungen
der Blasenfunktion:
- Entleerungsstörungen
(Verlust des Blasenempfindens) von der Urge-Inkontinenz
mit imperativem Harndrang bis hin zur Überlaufblase
- durch hohe Restharnmengen
treten gehäuft Blasenentzündungen auf
- Potenzstörungen:
- v.a. beim Mann
kann es zu einer erektilen Dysfunktion kommen (Errektion
des Penis ist immer schwieriger, später ohne Hilfsmittel
überhaupt nicht mehr möglich)
- gestörte Pupillenreflexe
- Verminderte Schweiß-
und Talgproduktion führen zu typischen diabetischen
Problemhaut durch fehlende Steuerung der Schweißdrüsen:
- Austrocknung der
Haut (verbunden mit starkem Juckreiz)
- die Haut wird
rissig
- Haut weist deutliche
trophische Störung auf
- Bildung von Hyperkeratosen
- Vorsicht : Risse wiederum stellen
potentielle Infektionsquelle dar
- Störung des Hormonhaushaltes
führt zu einer eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit
für Hypoglykämien und stellt somit eine akute
Gefahr des Pat. dar
- Mitauslösung
des Diabetischen Fuß-Syndroms (DFS)
1.A.7.3 Diabetisches Fuß-Syndrom
(DFS, sogenannter Diabetischer Fuß)
- ca. 300.000 Diabetiker in Deutschland
haben Verletzungen an ihren Füßen, weiter 120.000 kommen pro
Jahr dazu (Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß 1998)
- jeder 2. Diabetiker ist risikobehaftet
- pro Jahr werden immer noch bei mehr
als 22.000 Diabetikern Beine amputiert
- Ursächlich wirken hier die meisten
der bisher genannten Punkte zusammen (Neuropathie, Mikro- & Makroangiopathie
etc.). Sie wirken gemeinsam und führen zu einer "unphysiologische
Belastung durch gestörte Statik". Das bedeutet: Die Haut ist hier deutlich einem Mehrfachen der
normalen Belastung ausgesetzt:
- Zusammenfassung der Faktoren:
- Hautveränderungen (Hyperkeratose,
die Fußhaut wird schwielig und spröde) durch Austrocknung
und fehlende Wärmeregulierung
- verminderte Schmerzempfindlichkeit
und Sensibilität (Neuropathie)
- Störungen des Normalen Halteapparates
(Neuropathie)
- mangelhafte Nährstoffzufuhr
bzw. Stoffwechselendprodukteabfuhr:
- Ödembildung
- Durchblutungsstörungen
(Mikro- und Makroangiopathie bis hin zu pAVK)
- defektbehaftete Immunabwehr führt
zu hochgradiger Infektionsgefahr (auch kleinster Verletzungen)
- Merke: Viele Diabetiker
haben sowohl Nervenschäden als auch Durchblutungsstörungen.
Dadurch können typische Symptome unterdrückt werden, die Gefahr
von ernsten Komplikationen steigt deutlich. So ist bei vielen Pat. mit
Durchblutungsstörungen und Neuropathie das Symptom "Verkürzte
Gehstrecke mit Schmerzen" einfach nicht eruierbar, da die Schmerzen
nicht mehr wahrgenommen werden können! Eine genaue Diagnosestellung
ist daher immer vonnöten, beide Störungen müssen gezielt
behandelt werden .
1.A.7.4 Schädigung der Leber:
- Entstehung einer Fettleber durch vermehrte
Freisetzung freier Fettsäuren bei Insulinmangel (Lipolyse)
1.A.7.5 Schädigung des Immunsystems:
- Neigung zu Infekten durch allgemeine
Resistenzminderung